Begründung für die Auszeichnung von Reinhard Straach mit dem "Kulturpreis" des Landkreises Elbe-Elster
Laudatio von Corinne Ullrich:
Ich freue mich sehr, heute Abend die Laudatio für einen Menschen zu halten, den ich persönlich sehr schätze und dessen Anerkennung seiner kulturellen Leistungen im Landkreis Elbe Elster, speziell in seiner Heimatstadt Herzberg wohl längst überfällig ist. Was ihn auszeichnet, sind drei Leidenschaften: der Garten, das Theater und die Musik. Und damit wissen Sie wahrscheinlich alle, von wem ich gerade rede: Reinhard Straach.
Vor mehr als 10 Jahren bin ich mit meinem Partner, dem Künstler Hans-Peter Klie ins Pfarrhausnach Kolochau gezogen, und Reinhard war einer
der ersten Menschen, die wir dort kennenlernten: Er war interessiert, neugierig auf andere Menschen, offen für neue Erfahrungen... Eigenschaften, die ihn durchweg auszeichnen. Natürlich ist das nicht
der Grund, weshalb er heute den Kulturpreis des Landkreises Elbe Elster erhält: Den erhält für seine sehr vielseitige Kulturarbeit. Seine Offenheit und Neugier zeichnen ihn allerdings auch dort, in
der Kultur, aus: Ob Rockmusik oder Klassik, ob Theater, Kabarett oder Märchen, ob Fachvorträge – z. B. über die Marienkirche in Herzberg - oder humorvolle Bonmots – Reinhard Straach ist für alles zu
haben. Dabei hätte er um ein Haar Herzberg den Rücken gekehrt: Als frisch ausgebildeter Gärtner bewarb er sich für ein Fachstudium als Ingenieur in Werder an der Havel. Zunächst erfolgreich. Doch
noch vor Studienbeginn kam die Ablehnung wegen „mangelnder gesellschaftlicher Reife“. Als konfirmierter Handwerkersohn versagte ihm die DDR ein Studium. Ein Glück für Herzberg! Reinhard blieb, wurde
Stadtgärtner, hegte und pflegte den Botanischen Garten mit unglaublicher Kenntnis und Hingabe, führte gelegentlich in Frack und Zylinder als Wilhelm Marx durch den Garten, sang in der Marxschen Villa
im Gesangsverein und - spielte Theater. Seine große Leidenschaft! Schon als junger Mann begann er beim Arbeiter- und Bauerntheater im Kreiskulturhaus in Herzberg. Nach der Wende bekamen die Frauen
der Theatergruppe Kinder und das gemeinsame Theaterspiel wurde weniger. Mit seinem Freund und Kollegen Sylvius Wegner machte Reinhard dennoch weiter. Mit tragbaren Kulissen - einem Hexenhaus, einem
Schloss - spielten sie Märchen im Straßentheater. Zu einem absoluten Renner aber wurden ihre gemeinsamen Loriot Abende – erst im Freundeskreis, dann in Herzberg und schließlich sogar über die
Landesgrenzen hinaus. Nach ihrem Auftritt im Kabarett „Kuckuck“ in Forst verdoppelte die Leiterin spontan die abendliche Gage – so begeistert war das Publikum. Ebenfalls legendär war ihr Auftritt
beim Neujahrsempfang in Wittenberg. Als die beiden Loriot selbst in einem Brief von ihren Auftritten und ihrer Begeisterung für seine Sketche schrieben, schrieb der zurück und wünschte „allzeit viel
Spaß mit den Aufführungen“ – ein indirekter Segen des Meisters selbst.
Bis – nach Loriots Tod - die Tochter und Erbin, Susanne von Bülow, dem Theatertreiben einen herben Dämpfer versetzte: Einfach so spielen durften sie die Stücke anschließend nicht
mehr, alles musste angemeldet und bezahlt werden und war mit diversen Auflagen belegt, welche Stücke gespielt werden durften, in welchem Umkreis usw. Die Aufführungen wurden weniger
– auch, weil Sylvius Wegner sich liebevoll und gerne den Enkeln widmete und mit dem Rettungsdienst sehr eingebunden war. Und so treten die beiden Herzberger Comedians nur noch
gelegentlich in privatem Rahmen auf – auch wenn sie in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum feiern.
Einen guten Ausgleich fand Reinhard Straach seit 2016 allerdings mit den ScHerzbergern, der vierköpfigen Herzberger Theatertruppe, die eigene Stücke aus der Feder von Stefanie
Kammer aufführt – enorm erfolgreich! Bereits 2021 erhielten die ScHerzberger den Kunstpreis Elbe Elster. Und immer wieder steht bei den Stücken die illustre Gestalt von Reinhard Straach
im Mittelpunkt: Ob bei „Rettet Reinhard“ (2019) oder im aktuellen Stück „Tarzan“. Da nämlich taucht auf einmal das Ergebnis einer afrikanischen Liebesnacht in Herzberg auf: Tarzan. Und
der bringt nicht nur Reinhards Leben, sondern auch das Leben in der Kleinstadt mächtig durcheinander. Kaum kündigte die Theatertruppe das neue Stück an, waren innerhalb von 3 Tage alle
Karten für die 10 Aufführungen weg: Über 700 Besucher werden also im Februar und März diesen Jahres durch Reinhard Straachs legendären „Raum 1“ ziehen und sich amüsieren.
Überhaupt: „Raum 1“. Als in Reinhard Straachs Hofanlage eine große Renovierung anstand, verwirklichte er seinen Traum: Der ehemalige Heuboden über dem Wohnhaus wurde zur Spielstätte – für
Theater und die eigene Auftritte – aber auch für andere Künstler und Gastmusiker, eine italienische Cellistin trat auf, es gab einen Schubert Liederabend und diverse klassische
Musik-Darbietungen … ein weiterer Beitrag zur Kulturszene in Herzberg. Den unglaublichen Charme dieser Spielstätte macht das Persönliche und Familiäre aus und die einzigartige Organisation
seines Betreibers: in einem kleinem Büchlein notiert Reinhard Straach
alle Anmeldungen und Kartenwünsche – sein fantastisches Namensgedächtnis sorgt dafür, dass das alles perfekt klappt. Die Schnittchen für die Pause machte früher Mutter Straach und
wenn’s geschmeckt hatte, trampelten die Besucher heftig mit den Füßen – so dass Mutter Straach einen Stock tiefer die Begeisterung hören konnte.
Doch kurz zurück zu „Tarzan“, denn aus den Finger gesaugt ist diese Geschichte nicht – zumindest nicht ganz: Die Neugierde trieb Reinhard Straach nach der Wende auf die
abenteuerlichsten Reisen – meist mit einigen Kumpels im Schlepp von Rolf Domagalla, den meisten besser bekannt als Halligalli: Indien, Brasilien, Afrika … Echte Abenteuerreisen, auf denen
die Gruppe manchmal nachmittags noch nicht wusste, wo sie abends schlafen würde… Auch diese Reiseerfahrungen
verpackte Reinhard Straach in humorvolle Geschichten, die er in diversen Vorträgen zum Besten gab. Ob Geschichten aus dem „Leben eines Stadtgärtners“ oder skurrile Anekdoten seiner Reisen –
auch seine Vorträge zeichneten sich durch Humor aus. Und als ich ihn für meine eigenen ökologischen Gartenveranstaltungen 2022 in Kolochau um einen Beitrag bat, war er sofort bereit, kleine
humorvolle Einwürfe vorzutragen und bekannte Gartenmythen zu hinterfragen. Für ihn mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Leiter des Botanischen Gartens ein Kinderspiel.
Doch Reinhard Straachs Herz schlägt auch für die Musik: Das erfolgreiche Pfingstrock-Festival würde es ohne ihn wohl nicht geben. 2011 sprach er seinen Kumpel Daniel Tietze an, ob
man nicht mal im Botanischen Garten ein Rockkonzert organisieren könne ... Was als Einzelkonzert und später mit Coverbands begann, ist mittlerweile zu einem zweitägigen Festival
am Pfingstsamstag und –Sonntag geworden und zieht Musikfans aus ganz Deutschland an. Das renommierte Rolling Stones-Magazin bezeichnete das charmante Festival als "Geheimtipp an Pfingsten".
Und natürlich führt Bühnen-Profi Reinhard Straach an den mittlerweile zwei Tagen
durch das Programm. Und wenn er dann – zum Abschluss einer rockigen Nacht weit nach Mitternacht mit den letzten Verbliebenen gemeinsam „Mein kleiner grüner Kaktus“ singt
– unvergesslich!
Auch Reinhard Straachs wilde Aktion mit einem Ölgemälde zum einzigen Bob Dylan-Konzert 1987 in Ost Deutschland bis vor die Bühne zu marschieren, verschaffte ihm schon damals
etliche Interviews und noch drei Jahrzehnte später einen Artikel im "Spiegel". Wann immer in den Medien an das legendäre Konzert erinnert wird, fehlt fast nie ein bestimmtes Foto:
Dylan-Fan Straach mit Sonnenbrille und dunklem Bart, der inmitten der riesigen Menge stolz ein großes
Ölgemälde mit dem Konterfei des US-Musikers in die Luft reckt. Und natürlich gehört er zur Clique, die jedes Jahr zur „Zappanale“, einem Zappa-Festival, nach Bad Doberan fährt und die die
Umbenennung zur Frank-Zappa-Gasse im Herzberger Ortsteil Gräfendorf entschieden befürwortete.
Reinhard Straach ist aber nicht nur ein vielseitiger, einfallsreicher und engagierter
Kulturschaffender, sondern auch ein besonderer Mensch. Am meisten beeindruckt mich seine positive Lebenseinstellung: Von ihm hört man nie ein schlechtes Wort über andere – auch wenn er
durchaus Schicksalsschläge erfahren musste. Er ist sehr hilfsbereit – auch das konnte ich bei meinen eigenen Veranstaltungen erfahren – er ist offen, liberal, tolerant. Wenn er über
andere redet, ist es fast immer wertschätzend und begeistert. Er meckert nicht, er schimpft nicht, er gewinnt den Dingen des Lebens immer seine positiven Seiten ab - und macht sein Ding! In
diesem Sinne – Reinhard, weiter so! Auf noch viele spannende Musikveranstaltungen und großartige Theaterabende.