Begründung für die Auszeichnung des Projektteams der Ausstellung
„Wer ein Leben rettet. Lebensgeschichten von Kindern
des Verlorenen Transports“
mit dem „Preis für Heimatgeschichte“ des Landkreises Elbe-Elster
Im April 1945 rollen drei Züge mit jüdischen Häftlingen aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen in Richtung Theresienstadt. Ein Transport erreicht das Ziel, der zweite wird von US-Truppen befreit. Der dritte Transport scheint verloren. In diesem „Verlorenen Transport“ befinden sich etwa 2.500 Jüdinnen und Juden, darunter etwa 500 Kinder und Jugendliche. 14 Tage irrt der Zug in Richtung Osten, bis er am 23. April 1945 in der Nähe des Dorfes Tröbitz strandet. Die Rote Armee bringt die Überlebenden in den Häusern der Einheimischen unter; eine Art Zusammenleben entsteht. Noch nach der Befreiung sterben mehr als 300 Juden sowie 26 Dorfbewohner an den Folgen der Haft oder durch Typhus.
Wie erinnert man an derartiges Elend? In Tröbitz entwickelte sich nach 1945 eine Erinnerungskultur, die aus dem Ort getragen wurde und nach 1989 verstärkt die verbliebenen Überlebenden einbezog. Was aber, wenn die Zeitzeugen des Nationalsozialismus nicht mehr zur Verfügung stehen? Ausstellungsmacher beschäftigt diese Frage seit einiger Zeit. Das Projektteam der Ausstellung „Wer ein Leben rettet. Lebensgeschichten von Kindern des ‚Verlorenen Transports‘“ hat sie vorbildlich beantwortet. Die Männer und Frauen um Projektleiter Prof. Günter Morsch und die Kuratoren Dr. Verena Buser und Thomas Irmer werden deswegen heute mit dem Preis für Heimatgeschichte des Landkreises Elbe-Elster 2023 geehrt.
Ihre Ausstellung legt den Fokus auf die Biografien von acht exemplarisch ausgewählten jüdischen Kindern und Jugendlichen des Transports. Wo kamen sie her? Welche Verfolgungen mussten sie in ihren Herkunftsländern erdulden? Wie gerieten sie in die Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus? Welche Lebenswege hatten sie nach der Befreiung? Die Ausstellung erzählt davon, wie Verfolgung und Verlust diese jüdischen Kinder ihr Leben lang prägten. Außerdem richtet sie den Blick auf die Kinder der Kinder und die Traumata, die von den Eltern an die Kinder weiter gereicht wurden.
Angelegt ist die Ausstellung als wanderndes Projekt. Illustrationen geben ihr ein ganz eigenes Erscheinungsbild. In Videos begegnen wir den Zeitzeugen und ihren Familien. QR-Codes bringen diese Videos aufs Smartphone. Eine Website und eine App ermöglichen es, Inhalte weiter zu vertiefen. Umfangreiche Online-Ressourcen für den Unterricht der Sekundarstufe 1 und 2 machen es jedem Lehrer und jeder Lehrerin mit einem Klick möglich, an didaktisch hervorragende Lehrmittel zu gelangen.
Nichts ersetzt den unmittelbaren Kontakt zu einem Menschen, der das namenlose Elend der Judenverfolgung im „Dritten Reich“ am eigenen Körper erfahren musste. Im Gespräch von Mensch zu Mensch ist es sehr schwer, die Augen zu verschließen, wegzuschauen, zu vergessen. Diese Zeitzeugen verstummen nun – zu einem Zeitpunkt, wo wir ihre Erinnerungen mehr denn je brauchen. Deswegen ist diese Ausstellung so unendlich wichtig: Sie zeigt die Folgen des Nationalsozialismus über Generationen hinweg. Sie vermittelt an einem regionalen Beispiel Tragweite und Wirkung historischer Ereignisse auf die Gegenwart.
Gewürdigt wird heute das Projektteam, das an dieser Stelle auch genannt werden soll.
Projektleitung:
Kuratierung:
Projektadministrations:
Ausstellungsdesign, Medienstationen und Web:
Illustration:
Printproduktion:
Pädagogik:
Beratung:
Übersetzungen:
Prof. Dr. Günter Morsch
Dr. Verena Buser, Thomas Irmer
Andreas Claus
Oliver Temmler und Claudia Winter, sujet.design Berlin/Biberach
Ute Härting
Hruby Werbetechnik GmbH, Berlin
Carolin Starke
Ralph Gabriel
Dr. Verena Buser (Deutsch)
Stephen Locke (Englisch)
Elrom Translation Studios (Hebräisch)